Hilde Domin: Nicht müde werden
Nicht müde werdensondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten.
Einführung: Dieses Gedicht stammt aus einer Audiosammlung, die von berühten Sprecher*innen zusammengestellt wurde. Ich finde dieses kleine Gedicht wunderbar schlicht und es leuchtet mir sofort ein, was sie damit meint: Dass man die kleinen wundervollen Dinge jedes Tages niemals übersehen und sie wertschätzen soll. Um einen Vogel auf deine Hand zu locken, brauchst du Ruhe, Einfühlungsvermögen und Geduld. All dies sind tolle Möglichkeiten, um dem Leben mit Achtsamkeit zu begegnen und die Geschenke, die es dir ständig macht, auf deine Hand, also dein Bewusstsein, zu nehmen. Aber der Vogel ist frei und kann jederzeit wieder davon fliegen. Er kommt nicht zurück und das Sprichwort "Man steigt nicht zweimal in denselben Fluss" ist sehr wahr. Aber ein Kind, dem Blüten ins Haar fallen, fragt auch nicht danach, ob es morgen mehr Blüten geben wird: Es genießt sie einfach. Diese Einstellung entspricht mir sehr und ich mag es, dass jemand sie in so wenige, so treffende Worte kleiden kann.
Hilde Domin, geboren 1909 in Köln, als Mensch jüdischen Glaubens ist sie ab 1933 im Exil in Italien, Großbritannien und der Dominnikanischen Republik. Sie kehrt 1954 in die Bundesrepublik zurück, arbeitet als Dichterin, liest in Schulen und Gefängnissen. 1968 beschreibt sie in einem Interview den Mut, den eine Schriftsteller*in braucht: „Ein Schriftsteller braucht drei Arten von Mut. Den, er selber zu sein. Den Mut, nichts umzulügen, die Dinge beim Namen zu nennen. Und drittens den, an die Anrufbarkeit der anderen zu glauben.“ Hilde Domin verstibt 2006 in Heidelberg.
Quellenangabe: Gedicht von Hilde Domin, gefunden auf der Webseite www.deutschelyrik.de
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